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23 Geschäftsverlust. Verlustverrechnung (§ 24 lit. b Ziff. 3; § 53 Abs. 1 und 2 aStG).
- Der Verlust, den der Veräusserer bei der Übertragung des Landwirt- schaftsbetriebs an den Sohn zum landwirtschaftlichen Ertragswert erleidet, muss steuerlich anerkannt werden, vorausgesetzt, dass er sich aus der Buchhaltung vergleichbaren Aufzeichnungen ergibt und dass der Erwerber den Kaufpreis als Eröffnungsbuchwert einsetzt (Erw. 2).
- Der Veräusserer kann den Verlust, sofern dieser nicht in eine Bemes- sungslücke fällt, mit anderem Einkommen verrechnen (Erw. 1.1, 3).
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 31. August 2006 in Sachen J.V. gegen Steuerrekursgericht. Publikation in StE 2007 vorgesehen.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige verkaufte dem Sohn seinen Landwirt- schaftsbetrieb. Der Kaufpreis betrug Fr. x, entsprechend dem land- wirtschaftlichen Ertragswert, und wurde, mit Ausnahme der über- nommenen geringfügigen Grundpfandschulden, als verzinsliches Darlehen stehen gelassen. Der Steuerpflichtige machte in der Folge geltend, er habe einen Verlust erlitten, da der Buch- bzw. der steuer- lich massgebliche Restanlagewert des veräusserten Geschäftsvermö- gens höher gewesen sei als der erzielte Erlös, und verlangte die steu- erliche Anerkennung des Verlustes.
Aus den Erwägungen
1./1.1. Das Einkommen wird nach dem Durchschnitt der zwei Bemessungsjahre festgesetzt. Verlustüberschüsse im einen Jahr kön- nen vom Einkommen des anderen Jahres abgezogen werden (§ 53 Abs. 1 und 2 aStG; sog. innerperiodische Verlustverrechnung). Die Verlustverrechnung ist nicht auf eine bestimmte Einkommensquelle - der die Gewinnungskosten (Abzüge) sachlich zugeordnet werden
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können - beschränkt. Vielmehr müssen Verluste, die bei einer Ein- kommensquelle entstanden sind, mit Überschüssen aus anderen Ein- kommensquellen verrechnet werden (AGVE 1970, S. 281; Bernhard Meier, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz [Kommentar StG/AG], 1. Aufl., Muri/Bern 1991, § 53 aStG N 6). ... Zur Bestim- mung von § 24 lit. b Ziff. 3 aStG, wonach die Selbstständigerwer- benden die eingetretenen und verbuchten Geschäftsverluste vom Roheinkommen abziehen können, besteht ein innerer Zusammen- hang insofern, als Verluste, die nach § 24 lit. b Ziff. 3 aStG nicht ab- zugsfähig sind, für die Berechnung eines Verlustüberschusses (§ 53 Abs. 2 aStG) ausser Betracht bleiben müssen. 1.2. Auf den ersten Blick erscheint die Berücksichtigung des von den Beschwerdeführern behaupteten Liquidationsverlustes ge- stützt auf § 24 lit. b Ziff. 3 und § 53 Abs. 2 aStG zutreffend, zumal sie den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht. Die entgegenste- henden, im Folgenden zu überprüfenden Argumente der Vorinstanzen beziehen sich teilweise auf die Abzugsfähigkeit des Liquidati- onsverlusts als solche (nachfolgend Erw. 2), teilweise auf dessen Verrechenbarkeit mit anderem (Erwerbs-)Einkommen (nachfolgend Erw. 3). 2./2.1./2.1.1. Nach dem Wortlaut von § 24 lit. b Ziff. 3 aStG können nur die verbuchten Geschäftsverluste abgezogen werden, was bedeuten würde, dass selbstständigerwerbende Steuerpflichtige, die keine Buchhaltung führen, keine Verluste geltend machen können (so auch das KStA). Indessen ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass mit dieser Bestimmung der Normalfall des Selbstständigerwer- benden angesprochen ist, der eine Buchhaltung führt, ohne aber die Berücksichtigung von Verlusten bei Selbstständigerwerbenden, wel- che nicht buchführungspflichtig sind, auszuschliessen, sofern nur die Verluste mit vergleichbarer Sicherheit nachgewiesen werden (vgl. insbesondere AGVE 1983, S. 273: "Da somit über die Höhe des Ka- pitalverlustes die gleiche Gewissheit wie bei einer Buchführung be- steht, entspricht es zwar nicht dem Wortlaut, wohl aber dem Sinn des § 27 Ziff. 2 lit. c [des Steuergesetzes von 1966], den Kapitalverlust in dieser Höhe anzuerkennen."; Walter Koch, in Kommentar StG/AG, 1. Auflage, § 24 aStG N 206; Philip Funk, in Kommentar StG/AG,
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Band 1, 2. Aufl., § 36 N 51: "... werden nur Kapitalverluste steuer- lich anerkannt, welche in eigentlichen Geschäftsbüchern - bei nicht zur Buchführung verpflichteten Steuerpflichtigen - in den Auf- stellungen über die Aktiven und Passiven ... ausgewiesen sind."). Nun werden bei nicht buchführenden Landwirten für die Berechnung von Liquidationsgewinnen regelmässig die Restanlagewerte des Ge- schäftsvermögens ermittelt; dabei geht es namentlich darum, die ausgewiesenen Anlagekosten soweit nötig auf die einzelnen Teile des Geschäftsvermögens (wie Grundstücke, Gebäude, Inventar) aufzu- teilen und auf diesen die Abschreibungen - unter korrekter Berück- sichtigung der getätigten Ersatzbeschaffungen - zu berechnen. Dies ist insbesondere eine Folge der früheren Besteuerung der Landwirte, deren steuerbares Einkommen, sofern sie nicht Buch führten, nach dem volkswirtschaftlichen Einkommen ermittelt wurde (siehe AGVE 1987, S. 157 f.). Angesichts dieser früheren Rechtslage, bei der die Landwirte steuerlich nicht zur Buchführung gehalten waren, wäre es unhaltbar, die beschriebene Ermittlung der Restanlagewerte für die Berechnung von Liquidationsverlusten als ungenügend zuverlässig zu bezeichnen und Verluste daher generell nicht anzuerkennen. Der bestehende rechtliche Unterschied, dass für Verluste - im Gegensatz zu den Liquidationsgewinnen - der Steuerpflichtige die Beweislast trägt, macht diese Ermittlung der Restanlagewerte (da die Restanla- gewerte Einkommenssteuerwerte die gleiche Funktion wie die sich aus einer Buchhaltung ergebenden Buchwerte haben, werden sie im Folgenden vereinfachend ebenfalls als Buchwerte bezeichnet) nicht beweisuntauglich; es ist lediglich so, dass verbleibende Unge- wissheiten, wenn sie nicht zu vermeiden sind, zu Lasten der Steuer- pflichtigen gehen. 2.1.2. (Es ist unbestritten, dass - bei Zugrundelegung der Rest- anlagewerte - im Zusammenhang mit der Hofübergabe ein Verlust entstanden ist.) 2.2./2.2.1. Im angefochtenen Entscheid wird unter Bezugnahme auf das Kreisschreiben des Vorstandes der Schweizerischen Steuer- konferenz (KS Steuerkonferenz) vom 15. Juni 1995 und das Rund- schreiben des KStA vom 27. September 2004 (Aktuelle Steuerfragen im Bereich Landwirtschaft) ausgeführt, die Abtretung (Verkauf) ei-
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nes Landwirtschaftsbetriebs zum landwirtschaftlichen Ertragswert werde als Buchwertübernahme behandelt, d.h. der Erwerber könne die Buchwerte des Hofabtreters weiterführen. Damit blieben die stillen Reserven mit dem Hof verknüpft, dessen Wert sich zudem durch die Übernahme nicht vermindert habe. Aus diesem Grund werde beim Verkäufer kein Verlust anerkannt, auch wenn der land- wirtschaftliche Ertragswert unter dem Verkehrswert und häufig auch unter dem Buchwert des Hofabtreters liege. 2.2.2. Wer Geschäftsvermögen zu einem Preis über dem Buch- wert veräussert, erzielt einen Kapitalgewinn, der nach allgemeinen Grundsätzen (wie sie unter dem aStG auch für Landwirtschaftsbe- triebe gelten) steuerpflichtig ist, und bei Veräusserung unter dem Buchwert einen - abzugsfähigen - Kapitalverlust. Wenn die Auf- nahme der Vermögenswerte in die Buchhaltung des Erwerbers zu dessen Gestehungskosten erfolgt, kann der Vorgang so gesehen wer- den, dass der Veräusserer eine Auf- Abwertung im Umfang der Differenz zwischen Buchwert und Erlös vornimmt und der Erwerber den sich daraus neu ergebenden Buchwert übernimmt. Die zuvor (Erw. 2.2.1) erwähnten praktischen Regelungen sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass die durch das bäuerliche Erb- und Bodenrecht erleichterte Betriebsübergabe nicht durch Steuerfol- gen wiederum erschwert verunmöglicht werden soll. Sofern der Übernehmer/Käufer die Buchwerte weiterführt, kommt es bezüglich der mit den Vermögenswerten übertragenen stillen Reserven zu ei- nem Besteuerungsaufschub. Die Weiterführung der Buchwerte er- möglicht es, den vereinbarten Kaufpreis (häufig der Ertragswert) un- beachtet zu lassen; beim Abtreter/Verkäufer wird keine vorgängige Privatentnahme zu Verkehrswerten angenommen, obwohl auf Grundlage der Verkehrswerte eine teilweise Schenkung vorliegt. Da- bei gilt es zu verhindern, dass der Erwerber die Vermögenswerte zu einem höheren als dem bisherigen Buchwert in die Eröffnungsbilanz aufnehmen kann (was auf eine steuerfreie Aufwertung bzw. Auflö- sung stiller Reserven hinausliefe) dass der Abtreter einen Ver- äusserungsverlust geltend machen kann, ohne dass beim Erwerber eine entsprechende Tieferbewertung erfolgt. Insoweit ist es aus steu- ersystematischen Gründen im Interesse der korrekten Besteuerung
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geboten, die Kontinuität der Buchwerte sicherzustellen (siehe VGE II/1 vom 5. Februar 2004 [BE.2003.00010], S. 9 f.; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil/Basel 2001, Art. 18 N 109). Die Fortführung der Buchwerte ist aber nicht Selbstzweck. Der Schluss im Rundschreiben des KStA, der Übernehmer habe zwangsläufig die Bilanzwerte des Vorgängers zu übernehmen, ist in dieser Absolutheit nicht haltbar. Es ist nicht zu erkennen, auf welcher Rechtsgrundlage der Erwerber gehindert werden könnte, die Vermö- genswerte - im Rahmen der obligationenrechtlichen Vorschriften - zu einem tieferen als dem Buchwert des Rechtsvorgängers einzubuchen, und es ist kein Bedürfnis ersichtlich, eine derartige Tieferbewertung im Zusammenhang mit der Betriebsübergabe zu verhindern. Weil sich der Sachverhalt und die Interessenlage unterscheiden, können das KS Steuerkonferenz und das Rundschreiben des KStA hierauf nicht angewendet werden; das Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) vom 20. Dezember 2001 (Fragen bezüg- lich der Ermittlung des Einkommens aus der Landwirtschaft) behan- delt zwar den Fall, dass ein Verlust anzuerkennen ist, wenn ein Grundstück nachgewiesenermassen unter dem Buchwert abgetreten verkauft worden ist (S. 2), stellt aber die Verbindung zur Be- triebsübergabe nicht her und weist darum nicht auf das Erfordernis der entsprechenden Änderung des Buchwerts beim Erwerber hin. Im Umfang, in dem die Buchwerte in der Eröffnungsbilanz des Erwerbers gegenüber vorher (beim Abtreter) herabgesetzt sind, kön- nen aus der Regelung zur Betriebsübergabe keine schlüssigen Ein- wendungen gegen die Anerkennung eines Kapitalverlusts beim Ab- treter hergeleitet werden. 2.2.3. Das KStA lehnt die Anerkennung eines Verlusts ab, da auch bei einer Hofübergabe zum Ertragswert weiterhin ein Ver- kehrswert bestehe, der letztlich in einer Verlustverrechnung als massgebender Erlös einzusetzen wäre. Damit nimmt es, wie sich aus der Eingabe vom 14. Juli 2006 deutlich ergibt, auf die Regel Bezug, wonach es nicht zur Geschäftstätigkeit gehört, Geschäftsvermögen zu verschenken, und deshalb beim Veräusserer bezüglich dieser Vermögensstücke steuerlich zunächst eine Privatentnahme zu Ver-
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kehrswerten erfolgen muss (Koch, a.a.O., § 22 N 236; Locher, a.a.O., Art. 18 N 108; vorne Erw. 2.2.2). ... Entscheidend ist, dass es sich nicht um eine Schenkung handelt, soweit der Übernehmer einen Anspruch auf die Übernahme zum Er- tragswert hat (was natürlich im Einzelfall zu prüfen ist); die Gleich- behandlung mit Schenkungstatbeständen bedürfte deshalb einer überzeugenden Begründung, die nicht ersichtlich ist. 2.2.4. Wertberichtigungen auf landwirtschaftlichen Grundstük- ken, die mit dem Argument verlangt werden, diese müssten später unausweichlich zum Ertragswert weitergegeben werden, werden verweigert, da noch keine Entwertung eingetreten sei (StE 2005, B 23.43.2 Nr. 11; VGE II/49 vom 6. Juli 2005 [WBE.2004.373], S. 5). Es erscheint wenig konsequent, bei der Hofübergabe zum Er- tragswert (ohne Weiterführung der Buchwerte beim Übernehmer) den jetzt tatsächlich erlittenen Verlust trotzdem nicht anzuerkennen. Im genannten Präjudiz des Bundesgerichts wies dieses denn auch ausdrücklich auf die Stellungnahme der ESTV hin, wonach die all- fällige Wertverminderung gesamthaft abgeschrieben werden könne, falls der Betrieb dannzumal zum Ertragswert übertragen werde, da dann ein Verlust tatsächlich eintrete (Erw. 2.2.3 a.E.). 3. Geschäftsverluste können dann nicht mit anderem Einkom- men verrechnet werden, wenn sie aus steuersystematischen Gründen (Zwischenveranlagung) in eine Bemessungslücke fallen (StE 1996, B 64.1 Nr. 4; Meier, a.a.O., § 53 aStG N 12b). Beim Beschwerdefüh- rer wurde per 1.1.1990 eine Zwischenveranlagung wegen Erwerbs- aufgabe vorgenommen, deren Korrektheit hier nicht zu prüfen ist. Zu einer weiteren Zwischenveranlagung, durch die der im November 1993 eingetretene Liquidationsverlust in eine Bemessungslücke fiele, kam es nicht. Soweit darüber hinaus (namentlich im Bereich der direkten Bundessteuer) die Ansicht vertreten wird, nach einer Zwischenver- anlagung wegen Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit könn- ten Verluste aus dem früheren Geschäft generell nicht mehr abgesetzt werden (Locher, a.a.O., Art. 27 N 53; anscheinend ebenso Verwal- tungsgericht Schwyz, in StE 1997, B 64.1 Nr. 8), vermag dies nicht zu überzeugen, denn § 53 Abs. 2 aStG statuiert keine Einschränkung
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in der Weise, dass Geschäftsverluste nicht mit dem Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit verrechnet werden dürften (Meier, a.a.O., § 53 aStG N 12b, § 57 aStG N 17c). 4. Wie sich die Rechtslage unter dem neuen Recht darbietet, wo Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken des Geschäftsvermögens speziell geregelt werden und nur im Umfang der wieder eingebrachten Abschreibungen der Ein- kommenssteuer unterliegen (§ 27 Abs. 4 StG), kann hier offen blei- ben. 5. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Abtreter den bei einer Hofübergabe erlittenen Liquidationsverlust jedenfalls dann einkom- menswirksam abziehen kann, wenn der Übernehmer das Geschäfts- vermögen unter mindestens gleich grosser Herabsetzung des Buch- werts in seine Buchhaltung aufnimmt. 6. Aus den beigezogenen Steuerakten des Sohnes (Käufer des Landwirtschaftsbetriebs) ist ersichtlich, dass dieser ab 1993 eine Buchhaltung führte und das Landgutvermögen mit Fr. y in die Eröff- nungsbilanz aufnahm. Den Revisionsnotizen ist zu entnehmen, dass er dabei die vom Vater übernommenen Vermögenswerte mit dem vereinbarten Preis von Fr. x einsetzte. Diesbezüglich wurde die Buchhaltung von den Steuerbehörden akzeptiert und der rechtskräf- tigen Veranlagung zugrunde gelegt.
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